In der Schweiz arbeitet, salopp gesagt, sowohl der Mensch als auch das Geld. Um sich finanzieren zu können, erhebt unser Staat deshalb Steuern auf zwei Arten von Einkommen: auf dasjenige aus Arbeit, aber auch auf solches aus Kapitaleinkommen.
Welche Art von Einkommen wie hoch besteuert wird, ist nicht nur hierzulande Gegenstand ewiger Diskussionen. Im Gegensatz zu anderen Staaten jedoch können wir als Bürgerinnen und Bürger in der Schweiz darüber an der Urne entscheiden.
Unter den Abstimmungen vom September befindet sich deshalb ein weiteres Mal eine Vorlage zu einer Steuer, und zwar zu einer Kapitalsteuer. Genauer genommen geht es um die Teilabschaffung der sogenannten Verrechnungssteuer sowie der sogenannten Umsatzabgabe. Sie fällt an, wenn Einkommen aus Zinsen generiert wurde.
Hier erfährst du genauer, was die Verrechnungssteuer eigentlich ist, weshalb sie abgeschafft werden soll und wer aus welchen Gründen dagegen ist.
Die Verrechnungssteuer ist eine Bundessteuer. Sie kommt in drei verschiedenen Bereichen zum Zuge. Konkret wird sie erhoben auf:
Der Steuersatz beträgt dabei 35 Prozent auf Kapitalerträge und Lottogewinne, 15 Prozent auf Leibrenten und Pensionen und 8 Prozent auf sonstige Versicherungsleistungen.
Die Verrechnungssteuer wird an der Quelle erhoben. Sie wird also dort erhoben, wo sie anfällt. In diesem Falle ist das ein Kreditinstitut, wie zum Beispiel eine Bank. Das funktioniert dann so: Statt dass eine Bank Kapitalerträge eines Kunden – beispielsweise die Zinserträge aus einer Obligation oder Dividenden einer Aktie – dem Kunden komplett auszahlt, behält sie einen gewissen Prozentsatz davon zurück. Diesen muss die Bank dann an die Eidgenössische Steuerverwaltung weiterleiten.
Das Spezielle an der Verrechnungssteuer ist nun, dass sie – also der oben genannte Betrag – der Anlegerin oder dem Anleger komplett rückerstattet wird. Allerdings nur, wenn diese Person das angelegte Kapital und die Erträge daraus in ihrer Steuererklärung auch korrekt deklariert. Sie kann so den «ihr fehlenden» Betrag zurückfordern – allerdings nur, sofern sie einen Wohnsitz oder (im Falle von Unternehmen) einen Sitz in der Schweiz hat.
Eine Ausnahme stellen Lotterie- und Geldspielgewinne dar. Bei diesen zieht der Staat die Verrechnungssteuer direkt ab.
Wofür aber eine Steuer, wenn sie sowieso wieder zurückbezahlt wird? Die Verrechnungssteuer soll in erster Linie die Steuerhinterziehung verhindern. Die steuerpflichtigen Personen sollen damit dazu gebracht werden, alle Vermögens- und Einkommensteile anzugeben, auf die sie Erträge erzielt haben.
Auch die sogenannte Umsatzabgabe auf Obligationen soll in der vorliegenden Reform abgeschafft werden. Eine Umsatzabgabe muss heute bezahlen, wer Wertpapiere kauft oder verkauft. Sie beträgt 1,5 Promille des Kaufpreises für inländische Wertpapiere und 3 Promille für ausländische Wertpapiere.
Obligationen werden herausgegeben von Unternehmen oder Staaten und Anlegerinnen und Anleger können sie kaufen. Die Herausgeber können sich so mit fremdem Kapital finanzieren. Dafür müssen sie den Anlegerinnen und Anlegern aber einen festen Zins zahlen. Obligationen haben eine fixe Laufzeit. Die Herausgeber verpflichten sich – deshalb der Begriff «Obligation» –, die ganze Summe am Ende dieser Laufzeit zurückzuzahlen.
Im Gegensatz zu Aktien können Obligationen, wie erwähnt, auch von Staaten – und nicht nur von Unternehmen – herausgegeben werden. Auch sonst sind Obligationen nicht mit Aktien zu verwechseln: Aktien sind Besitzanteile an einem Unternehmen. Obligationen hingegen sind «lediglich» eine Schuldverschreibung eines Unternehmens oder eines Staates.
In den Jahren 2020 und 2021 nahm der Bund jeweils über 1,5 Milliarden Franken durch die Umsatzabgabe ein.
Durch die Verrechnungssteuer nahm der Bund sogar noch mehr ein: 2020 und 2021 waren es je rund fünf Milliarden. Wie aber ist das möglich, wenn es sich doch um eine Steuer handelt, die ja zurückgefordert werden kann? Der Grund liegt darin, dass nicht alle ihre Verrechnungssteuer zurückkriegen – oder sie überhaupt einfordern.
So haben beispielsweise Anleger aus dem Ausland nur teilweise oder gar kein Anrecht auf eine Rückforderung. Ausserdem ist einigen, vor allem grösseren Unternehmen, der bürokratische Aufwand, der durch die Rückforderung entsteht, zu hoch – sie verzichten also oft lieber darauf.
Am 25. September stimmen wir darüber ab, ob die Verrechnungssteuer und die Umsatzabgabe auf Obligationen aus der Schweiz abgeschafft werden sollen. Insgesamt beinhaltet die Reform Folgendes:
Insgesamt werden Verrechnungssteuer und Umsatzabgabe also nicht abgeschafft, sondern lediglich Teile davon: diejenigen auf inländische Obligationen. Auf die Erträge aus allen anderen Kapitalanlagen bleibt sie weiterhin bestehen.
Nachdem der Bundesrat eine Vernehmlassung dazu in Auftrag gegeben hatte, wurde im letzten Jahr in den beiden Räten über die Reform des Verrechnungssteuergesetzes abgestimmt.
Im Nationalrat stimmten 125 Mitglieder dafür, 70 stimmten dagegen. Geschlossen dafür stimmten GLP, FDP und SVP. Geschlossen dagegen waren SP und Grüne. Bei der Mitte gab es 27 Ja- und drei Nein-Stimmen. Auch im Ständerat wurde die Vorlage mit insgesamt 31 zu 12 Stimmen angenommen.
Nach dieser Annahme durch beide Räte entschieden sich SP, Grüne und die Gewerkschaften, das Referendum zu ergreifen.
Von den grossen Parteien haben Die Mitte, FDP und SVP ihre Ja-Parolen herausgegeben. Auch die GLP wird wohl dafür sein, die Partei der Grünliberalen fasst ihre Parolen aber erst am 20. August. Ausserdem für die Vorlage sind der Bundesrat sowie die grossen Wirtschaftsverbände.
Den Befürwortern der Reform geht es unter anderem darum, Schweizer Obligationen den ausländischen gleichzustellen. Es wird argumentiert, dass Schweizer Obligationen insbesondere für Anlegerinnen und Anleger aus dem Ausland unattraktiv seien, weil sie oft zumindest auf einen Teil der Verrechnungssteuer verzichten müssen.
Der hohe Aufwand zur Rückforderung sei laut Befürwortern auch für inländische Anlegerinnen und Anleger aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands unattraktiv.
Eine Reihe von Ländern kennt laut den Befürwortern keine vergleichbare Steuer oder die erhobene Steuer ist tiefer. Daher würden viele inländische Unternehmen ihre Obligationen vorwiegend im Ausland ausgeben. Die Verrechnungssteuer werde so vermieden.
Ein weiteres Argument ist die Stärkung des inländischen Obligationenmarkts. Dieser sei in der Schweiz wenig entwickelt und tendenziell rückläufig. Die Schweiz könne mit dem Ausland nicht mithalten, so die Befürworter: Gemessen an ihrer Wirtschaftskraft geben die Finanzplätze in Singapur, in Südkorea, in den USA und im Vereinigten Königreich deutlich mehr Obligationen aus als die Schweiz. Andere Länder würden keine oder eine tiefere vergleichbare Steuer kennen.
Die Bankiervereinigung schätzt, mit der Reform könnten innert fünf Jahren Geschäfte im Umfang von 900 Milliarden Franken in die Schweiz zurückgeholt werden. Das bringe zusätzliche Arbeitsplätze, Gewinn- und Einkommenssteuern sowie AHV-Beiträge für die Schweiz. Solche groben Schätzungen sind allerdings mit einer grossen Portion Unsicherheit behaftet.
Gegen die Vorlage sind SP und Grüne sowie die Gewerkschaften. Ausserdem hat sich ein unabhängiges Komitee gebildet, es besteht vorwiegend aus Unternehmerinnen und Inhabern von KMUs.
Das Referendumskomitee kritisiert an der Vorlage, dass es vor allem grosse Unternehmen und Konzerne sind, die Obligationen emittieren. Demnach würden vor allem diese von der Reform profitieren, nicht aber die KMUs.
Gegnerinnen und Gegner der Vorlage argumentieren ausserdem, dass bei einer Annahme die Steuerkriminalität gefördert würde. Bei einer Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationen entfalle für Private und Unternehmen der Anreiz, bei den Steuern nicht zu betrügen.
Zudem werden hohe Steuerausfälle befürchtet: Je nach Zinssatz führe die Abschaffung zu jährlichen Steuerausfällen von mehreren hundert Millionen Franken. Diese Ausfälle würden von den Befürwortern kleingeredet. Zu diesen Ausfällen fehle eine Gegenmassnahme, am Ende müssten sie von der Bevölkerung bezahlt werden. Das Finanzdepartement schätzt die Einnahmeausfälle langfristig auf 215 bis 275 Millionen Franken jährlich.
Also die grosse Mehrheit!
Eine weitere Umverteilungs-Vorlage von unten nach oben.
Der durchschnittliche Arbeitnehmer profitiert nicht nur nicht davon, sondern muss die Ausfälle früher oder später durch Erhöhung der Erwerbssteuer kompensieren.
Wer gegen seine eigenen Interessen stimmt, ist verblendet und braucht Hilfe in Form von mehr politischer Bildung.